(ip/pp) Inwieweit der Verzicht auf Einreden gemäß § 768 BGB in Bürgschaften wirksam ist, war Gegenstand einer aktuellen Verhandlung vor dem BGH. Die Klägerin nahm die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, aus einer Gewährleistungsbürgschaft für Malerarbeiten in Anspruch. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte mit der Hauptschuldnerin einen Werkvertrag über Malerarbeiten an einem Bauvorhaben geschlossen. Die Parteien hatten auf Grundlage eines von der Klägerin gestellten Vertragsmusters unter anderem eine Gewährleistungszeit von fünf Jahren sowie ergänzend die Geltung der VOB/B vereinbart. Ferner enthielt der Vertrag folgende Regelung:

"11. Sicherheitsleistung 11.1 Sämtliche selbstschuldnerische Bankbürgschaften müssen den Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage (§§ 768, 770, 771 BGB) und den Verzicht auf das Recht der Hinterlegung enthalten. Sie müssen weiterhin unbedingt und unbefristet sein. 11.2 ... 11.3 ... 11.4 Der Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche beträgt 5% der Schlussabrechnungssumme zuzüglich Mehrwertsteuer, Die Sicherheit kann durch Stellung einer Bürgschaft abgelöst werden, Der Sicherheitseinbehalt / die Bürgschaft wird auf schriftliches Verlangen nach dem vereinbarten Gewährleistungszeitraum zurückgegeben."

Dem vor Vertragsschluss erstellten Verhandlungsprotokoll, das Vertragsbestandteil wurde, war als Anlage ein von der Klägerin vorformuliertes Muster einer Gewährleistungsbürgschaft beigelegt, das den Verzicht auf "sämtliche Einwendungen und Einreden, insbesondere auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung sowie der Vorausklage gemäß §§ 768, 770, 771 BGB" vorsah. Diesem Muster entsprechend übernahm die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Bürgschaft für die vertraglichen Gewährleistungsansprüche der Klägerin bis zu einer Höhe von knapp 21.000,- Euro.

Die Arbeiten wurden abgenommen - und vier Jahre später traten Mängel auf, die ein von der Klägerin beauftragtes Ingenieurbüro der Hauptschuldnerin anzeigte, verbunden mit der Aufforderung zur Beseitigung. Der inzwischen insolventen Hauptschuldnerin gesetzte Fristen zur Mängelbeseitigung verstrichen erfolglos. Daraufhin nahm die Klägerin die Beklagte aus der Bürgschaft auf Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung in Anspruch. Sie begehrte von der Beklagten die Zahlung eines Vorschusses zur Beseitigung der Mängel in Höhe von knapp 6.000,- Euro nebst Zinsen sowie die Feststellung, dass die Beklagte auch diesen Betrag bis zu 20% übersteigende Kosten zu tragen habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben.

Der BGH entscheid in letzter Instanz:

„1. Haben die Vertragsparteien eine Klausel übereinstimmend in einem bestimmten Sinne verstanden, so geht dieser übereinstimmende Wille nicht nur der Auslegung einer Individualvereinbarung, sondern auch der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor.

2. Das Verhalten der Parteien nach Abschluss der Sicherungsvereinbarung ist als Indiz für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und Verständnisses bei Vertragsschluss bedeutsam.

3. Zwar kann der Auftraggeber durch beigefügte Vertragsmuster den abweichenden, eindeutigen Inhalt einer Sicherungsvereinbarung nicht ändern. Ist die Klausel jedoch nicht eindeutig, so erlangt ein Vertragsmuster, das Bestandteil der Vereinbarung geworden ist, für die Auslegung dieser Klausel Bedeutung.

4. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die vorsieht, dass der Auftragnehmer einen Sicherungseinbehalt nur gegen Stellung einer Bürgschaft ablösen kann, die den Verzicht auf sämtliche Einreden des § 768 BGB enthält, ist unangemessen im Sinne des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz (jetzt § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

5. Eine Regelung, die dem Bürgen den Schutz des § 768 BGB umfassend nimmt, kann nur formularmäßig nicht wirksam vereinbart werden. Dagegen ist eine individualvertragliche Vereinbarung möglich.

6. In den Fällen, in denen formularmäßig eine Gewährleistungsbürgschaft mit umfassendem Einredeverzicht zur Ablösung eines Sicherungseinbehalts gefordert wird, ist die Sicherungsvereinbarung vollständig unwirksam, da die betreffende Klausel nicht teilbar ist und auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht kommt.

7. Auch eine ergänzende Auslegung der Sicherungsvereinbarung dahingehend, dass eine Bürgschaft ohne umfassenden Einredeverzicht zu stellen ist, um den Sicherungseinbehalt abzulösen, kommt nicht in Betracht.

8. Zu den Einreden, die der Bürge seiner Inanspruchnahme entgegenhalten kann, gehört auch die Unwirksamkeit der der Bürgschaftsübernahme zu Grunde liegenden Sicherungsvereinbarung.“

BGH, Az.: XI ZR 145/08