(ip/RVR) Zur Frage, ob die Identität der Streitgegenstände Voraussetzung für die Aufnahme eines Rechtsstreits gemäß § 180 Abs. 2 InsO ist, oder ob der Rechtsstreit nach der genannten Norm aufgenommen werden darf, wenn die Identität der Streitgegenstände durch eine Klageänderung hergestellt werden kann, äußerte sich das OLG Brandenburg in einem Berufungsurteil vom 10. Juni diesen Jahres.

Die Klägerin klagte erstinstanzlich gegen die spätere Insolvenzschuldnerin zur Sicherung eines Werklohnanspruchs auf Bewilligung der Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek. Gegen die Beklagte erging ein antragsgemäßes Versäumnisurteil, wogegen sie jedoch fristgerecht Einspruch einlegte. Sodann wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und der Rechtsstreit zunächst gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Die Klägerin meldete den offenen Werklohnanspruch daraufhin zur Tabelle an. Dieser wurde vom eingesetzten Insolvenzverwalter zum Teil festgestellt, zum Teil bestritten. Nun wurde das unterbrochene Verfahren von der Klägerin aufgenommen und beantragte festzustellen, dass ihr auch der bestrittene Teil der Werklohnforderung als Insolvenzforderung zustehe. In materiell-rechtlicher Hinsicht trug sie hierzu umfassend vor. Der nunmehr beklagte Insolvenzverwalter beantragte Klageabweisung. Das Landgericht gab der Klage jedoch statt.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Insolvenzverwalters zum erkennenden Senat 12. Senat des OLG Brandenburg. Neben materiell-rechtlichen Einwendungen (erstmals wurde in der Berufungsbegründung die Einrede der Verjährung erhoben) gegen den Werklohnanspruch wurde vor allem ein dem erstinstanzlichen Urteil zugrundeliegendes fehlerhaftes Verfahren geltend gemacht: Die Voraussetzungen für die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits hätten nicht vorgelegen, eine Klageänderung sei unzulässig, weil die Klägerin statt des ursprünglichen Streitgegenstandes einen neuen eingeführt habe, mithin auch keine objektive Klagehäufung vorgelegen habe.

Die Klägerin verteidigte das erstinstanzliche Urteil und argumentierte einerseits, eine Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts, die Klageänderung zuzulassen, finde nach § 268 ZPO ohnehin nicht statt. Andererseits sei die Klageänderung nach Sinn und Zweck des § 280 Abs. 2 InsO zulässig, den bisherigen Sach- und Streitstand aus Gründen der Prozessökonomie verwerten zu können. Weiter wehrte sie sich gegen den Einwand der Verjährung. Eine solche sei nicht eingetreten und darüber hinaus sei die Geltendmachung in der Berufung wegen § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück und gab der Klägerin in den wesentlichen Punkten Recht. Dass einer Überprüfung der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 280 Abs. 2 InsO bereits § 268 ZPO entgegenstünde, sah das Gericht hingegen anders. Diese Entscheidung sei vielmehr der Frage über Zulässigkeit der Klageänderung vorgeschaltet und von dieser unabhängig. Unschädlich sei insbesondere, dass zur Bejahung der Möglichkeit der Aufnahme des Rechtsstreits beurteilt wurde, ob die Voraussetzungen des § 280 Abs. 2 InsO durch Klageänderung vorlagen.

Sodann äußert sich das Gericht ausführlich zur Eingangs genannten Frage und erläutert, weshalb es für eine Aufnahmemöglichkeit nach § 280 Abs. 2 InsO durch Herstellung der Identität der Streitgegenstände eintritt: Ob die genannte Vorschrift eine abschließende Regelung über die Aufnahme darstelle, sei nicht der Insolvenzordnung zu entnehmen, wohl aber durch Auslegung unter maßgeblicher Berücksichtigung des Gesetzeszwecks zu ermitteln. Verfahrensrechtliche Regeln dienten generell dazu, den Rechtsuchenden die Verfolgung ihrer Rechte zu erleichtern, wobei begriffliche Erwägungen hinter den Geboten der raschen und sicheren Rechtsfindung und der Wiederherstellung des Rechtsfriedens zurückzustehen hätten. Da § 180 Abs. 2 InsO der Prozessökonomie diene, indem der Kosten- und Zeitaufwand eines selbstständigen Feststellungsprozesses vermieden und die Verwertbarkeit des bisherigen Prozessergebnisses erreicht werde, sei eine entsprechende Auslegung der Vorschrift angebracht, wenn die Ergebnisse eines Rechtsstreits im Rahmen des Feststellungsprozesses verwertet werden können. Sachdienlich sei die Klageänderung deshalb, weil die Prüfungserfordernisse beider Klagen zwar nicht identisch, wohl aber weitgehend übereinstimmend seien. Schließlich sei auch kein schützenswertes Interesse der Gegenpartei an einem selbstständigen Feststellungsprozess erkennbar. Beide Parteien profitierten letztlich von der schnelleren Prozessabwicklung.

Auch den materiell-rechtlichen Einwendungen des Beklagten erteilte das Gericht insgesamt eine Absage. Insbesondere sei der Werklohnanspruch nicht verjährt. Dem Einwand, der Beklagte könne sich nach § 531 Abs. 2 ZPO gar nicht mehr auf Verjährung berufen, begegnete das erkennende Gericht mit einem Verweis auf die Rechtsprechung des BGH, wonach die Einrede unabhängig von § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sei, wenn - wie hier - die Erhebung der Einrede und die den Verjährungseintritt begründenden Umstände unstreitig seien (BGH MDR 2009, 143).

Materiell ging es um die Frage, welches Verfahren § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB meint. Nach Auffassung der Klägerin endet die Hemmung der Verjährung, welche für den streitigen Anspruch mit der Forderungsanmeldung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB eintrat, nach Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift erst sechs Monate nach Beendigung des Insolvenzverfahrens (welches noch läuft). Die Beklagtenseite meint hingegen, unter Verfahren sei das Forderungsanmeldungsverfahren zu verstehen (wonach mit Zugang des Tabellenauszugs die Sechs-Monat-Frist Ende Oktober 2006 zu laufen begonnen hätte und die gerichtliche Geltendmachung vom 12.12.2008 in jedem Fall zu spät kam). Das Berufungsgericht schloss sich mit der Erwägung der Auffassung der Klägerin an, ein eigenständiges Verfahren der Forderungsanmeldung kenne die Insolvenzordnung nicht.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

OLG Brandenburg vom 10.06.2010, Az. 12 U 189/09


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