(ip/RVR) Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zur Inkongruenz von Leistungen, die auf Vollstreckungsdruck des Gläubigers hin erfolgen dahingehend ergänzt, dass es zur Anfechtbarkeit dieser Leistungen einer letzten Fristsetzung nicht bedarf, soweit der Gläubiger unter Ankündigung der Zwangsvollstreckung den späteren Insolvenzschuldner zur sofortigen Leistung auffordert.

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erreichte die Schuldnerin ein Schreiben des Bundeslandes, welches rückständige Steuerschulden geltend machte. Das Schreiben war betitelt mit „Mahnung mit Ankündigung der Zwangsvollstreckung“ und enthielt einen Hinweis auf die Fälligkeit der Beträge. Es folgte die Aufforderung, den Betrag „umgehend“ zu bezahlen. Daran schloss sich folgender Text an: „Falls Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, müssen Sie mit der Durchführung kostenpflichtiger Vollstreckungsmaßnahmen rechnen, z. B…. [es folgen verschiedene Vollstreckungsarten]“. Im Krisenzeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO kam es daraufhin zur Zahlung durch die Schuldnerin.

Nach der Verfahrenseröffnung machte der eingesetzte Insolvenzverwalter den gezahlten Betrag klageweise geltend und stützte dies auf Insolvenzanfechtung. Das Landgericht wies die Klage ab; das Oberlandesgericht gab ihr statt. Die Revision des beklagten Bundeslandes blieb erfolglos.

Die Zahlung der Schuldnerin habe der Gläubigerin im maßgeblichen Zeitpunkt eine inkongruente Befriedigung gewährt. Nach ständiger Rechtsprechung liege eine inkongruente Deckung auch dann vor, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Vollstreckungsmaßnahme geleistet hat. Dies sei anzunehmen, wenn der Gläubiger zum Ausdruck bringe, alsbald mit der Vollstreckung zu beginnen, sofern die Forderung nicht erfüllt werde.

Diese Voraussetzung sei auch mit dem Schreiben im vorliegenden Fall erfüllt. Auch wenn keine konkrete letzte Fristsetzung enthalten sei, erzeuge das Schreiben in dieser Formulierung Vollstreckungsdruck, da der Schuldner nicht davon ausgehen könne, dass es zunächst weitere Mahnungen oder Vollstreckungsdrohungen gebe, bevor die Zwangsvollstreckung tatsächlich stattfindet. „Der bloße Verzicht auf die Angabe einer konkreten Zahlungsfrist und deren Ersetzung durch das nach allgemeinem Sprachverständnis auf eine sofortige oder augenblickliche Zahlung gerichtete Wort „umgehend" schafft keine Situation, die sich von derjenigen, in der eine nach wenigen Tagen bemessene Frist gesetzt wird, nennenswert unterscheidet“ (Rz. 11 der Entscheidung).

Eine erste Mahnung, welche nicht geeignet sei, eine Inkongruenz herbeizuführen, liege nicht vor. Typisch für eine erste Mahnung sei nämlich gerade, dass eine Zwangsvollstreckung noch nicht absehbar sei.

BGH vom 20.01.2011, Az. IX ZR 8/10


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