(ip/RVR) Erstmals nahm der Bundesgerichtshof durch seinen IX. Senat zu der Frage Stellung, ob der gerichtliche Festsetzungsbeschluss einer Verwaltervergütung in dessen Gesamtumfang der materiellen Rechtskraft unterliegt, oder ob letztere nur die einzelnen Berechnungsposten des Vergütungsanspruchs ergreift.

In der Sache beantragte der Beschwerdeführer nach rechtskräftiger Vergütungsfestsetzung eine zusätzliche Vergütung als Gesamtvollstreckungsverwalter. Die Nachforderung stützte er auf Umstände, welche teilweise seiner Ansicht nach in der Erstfestsetzung nicht konkret beschieden wurden, teilweise in seinem Antrag nicht gesondert erwähnt waren. Das Amtsgericht gewährte einen zusätzlich beantragten Zuschlag, die weiteren Zuschläge lehnte es mit Verweis auf die rechtskräftige Erstfestsetzung ab. Im Beschwerdeverfahren gesellte sich ein weiterer Zuschlag hinzu, ansonsten bestätigte das Landgericht die amtsgerichtliche Zweitfestsetzung. Hiergegen wendet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

Der IX. Senat wies sie jedoch als unbegründet zurück, weil die Rechtskraft der Erstfestsetzung dem Nachforderungsverlangen entgegenstünde, welches auf keine neuen Tatsachen gestützt wurde.

Damit hat sich der Senat in der eingangs erwähnten Rechtsfrage entgegen der Mehrheit des Schrifttums für die Rechtskrafterstreckung auf die Vergütungsfestsetzung in seiner Gesamtheit entschieden. Das Gericht verneinte eine Analogie zur Rechtskraftwirkung bei Kostenfestsetzungsbeschlüssen nach §§ 103 ff. ZPO, welche sich aus jeweils gesondert rechtlich zu würdigenden Einzelpositionen zusammensetzten.

Gleichwohl bejahte der erkennende Senat die grundsätzliche Möglichkeit der Zweitfestsetzung trotz rechtskräftiger Erstfestsetzung, wenn sich durch neue Tatsachen die Sachlage zugunsten des Antragstellers geändert hatte: Die zivilprozessualen Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens seien nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich beim Festsetzungsverfahren nicht um einen Rechtsstreit handle. Dies schließt das Gericht aus der ansonsten aus Art. 92 GG folgenden Verfassungswidrigkeit der Übertragung des Verfahrens auf den Rechtspfleger nach §§ 3 Nr. 2e, 18 Abs. 1 RPflG. Vielmehr handle es sich um ein besonderes Rechtspflegeverfahren mit eigenen Grundsätzen.

Sodann führt der BGH aus, weshalb aufgrund der Rechtsnatur des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs einerseits und des Vergütungsanspruchs andererseits diese zu unterscheiden und deshalb bezüglich der Rechtskraftwirkung verschieden zu behandeln seien. Wegen der einzelnen Gebühren- und Auslagentatbestände setze sich ersterer aus einer Aneinanderreihung selbstständiger Einzelansprüche zusammen, weshalb die Nachholung einer fehlenden Gebühr auch bei rechtskräftiger Erstfestsetzung möglich sei. Anders sei dies beim Vergütungsanspruch: Dieser sei ein Produkt aus der Berechnungsgrundlage (§ 1 InsVV; §§ 1, 2 VergVO) und dem durch Zu- oder Abschläge (§ 3 InsVV, § 3 VergVO) erhöhten oder verminderten Regelsatz (§ 2 InsVV; § 3 VergVO) als unselbstständige Berechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs. Auf diesen Gesamtanspruch und seinen Umfang alleine beziehe sich die materielle Rechtskraft, wohingegen die Feststellungen zur Berechnungsgrundlage und zum Vergütungssatz einschließlich etwaiger Zu- oder Abschläge als bloße Vorfragen nicht an der Rechtskraft teilnähmen.
Da der Beschwerdeführer sich ausschließlich auf Tatsachen stützte, die er bereits im Erstverfahren geltend gemacht hat oder hätte geltend machen können, wäre die Berufung auf solche Tatsachen nicht geeignet, ein Zweitverfahren zu eröffnen, da nach der vom Reichsgericht entwickelten Rechtsprechung zu einem Gesamtanspruch der Festsetzungsgegenstand nur solche Tatsachen umfasse, die der Antragsteller im Verlauf des Festsetzungsverfahrens geltend machen konnte.


BGH vom 20.05.2010, Az. IX ZB 11/07

 

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