(ip/RVR) Wird aus einem bereits vorhandenen Titel die Zwangsvollstreckung betrieben, so soll diese nach der BGH-Rechtsprechung nicht alleine mit Hinweis auf § 775 Nr. 1 ZPO abgelehnt oder eingestellt werden können, weil ein die titulierte Forderung einschließender festgestellter Schuldenbereinigungsplan vorliegt.

Eine Gläubigerin beauftragte den Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Der Gerichtsvollzieher verweigerte die Durchführung, da die titulierte Forderung in einen gerichtlich bestätigten Schuldenbereinigungsplan eingegangen sei. Wegen ausgebliebener Zahlungen des Schuldners erklärte die Gläubigerin den Rücktritt von diesem Schuldenbereinigungsplan und erhob daraufhin Erinnerung gegen die Weigerung des Gerichtsvollziehers.

Das AG hat den Rechtsbehelf zurückgewiesen, die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Die Rechtsbeschwerde zum BGH führte die Gläubigerin zum Erfolg. Der VII. Senat hob die Entscheidungen auf und wies den Gerichtsvollzieher an, die Vollstreckung nicht aus den bisher genannten Gründen abzulehnen.

Das Beschwerdegericht meinte, mit dem Schuldenbereinigungsplan liege ein gerichtlich bestätigter Vergleich im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor (vgl. § 308 Abs. 1 Satz 2  InsO), der die Zwangsvollstreckung für die titulierte Forderung, die in den Vergleich eingegangen sei, nach § 775 Nr. 1 ZPO ausschließe. Dem Gerichtsvollzieher müsse nachgewiesen werden, dass dieser Plan nicht mehr bestehe. Eine Rücktrittserklärung von Seiten der Gläubigerin reiche dafür nicht aus.

Der BGH hingegen meinte, ein Schuldenbereinigungsplan stelle keine gerichtliche Entscheidung im Sinne des § 775 Nr. 1 ZPO dar. Weder sei er Urteil noch Beschluss, sondern habe die Wirkung eines materiellrechtlichen Vergleichs nach § 779 BGB. Der Beschluss des Insolvenzgerichts zur Annahme des Plans nach § 308 Abs. 1 Satz 1 InsO treffe keine inhaltliche Entscheidung, sondern habe nur klarstellende Funktion.

Auch die Wirkung als Prozessvergleich (§ 308 Abs. 1 Satz 2 InsO) ergebe nichts Gegenteiliges: Der Prozessvergleich als solcher könne nach allgemeiner Ansicht nicht zur Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen führen und bilde keine gerichtliche Entscheidung im Sinne von § 775 Nr. 1 ZPO. Dies gelte auch für den Schuldenbereinigungsplan, denn es sei Sache der Parteien des Vergleichs, ob neben der Vollstreckung aus dem Plan auch die Vollstreckung aus dem ursprünglichen Titel erhalten bleiben soll. Für eine derartige Vereinbarung bestehe insbesondere bei bereits begonnenen Vollstreckungsmaßnahmen eine Bedürfnis, etwa wegen der rangwahrenden Wirkung der Pfändungsmaßnahmen. Daraus sei zu schließen, dass der Plan nicht generell und in jedem Fall eine anderweitige Vollstreckung beschränken solle.

Auch eine analoge Anwendung des § 775 Nr. 1 ZPO komme nicht in Betracht. Angesichts der starken Formalisierung der Zwangsvollstreckung könne dem Vollstreckungsorgan die Entscheidung der Vollstreckbarkeit durch Heranziehung des Schuldenbereinigungsplans und der darin enthaltenen Parteivereinbarungen nicht zugemutet werden. Dies sei Sache des Prozessgerichts im Verfahren nach § 767 ZPO.

BGH vom 14.07.2011, Az. VII ZB 118/09

 

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