Allgemeiner Ausschluss, Entzug des Stimmrechts
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(ip/RVR) Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Teilungserklärung ist u.a. bestimmt: 'Die Versammlung kann einen Wohnungseigentümer, der mit Zahlungen von Beiträgen länger als einen Monat in Verzug ist, von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung und der Abstimmung ausschließen. Der Betroffene hat hierbei kein Stimmrecht. Mit vollständiger Zahlung der Rückstände entfällt die Wirkung obigen Beschlusses.'
Die Wohnungseigentümer beschlossen den Entzug des Stimmrechts und den Ausschluss derjenigen Wohnungseigentümer aus der Versammlung, die mit ihren Hausgeldzahlungen mehr als einen Monat in Verzug waren. Aufgrund dessen konnte die Klägerin nicht weiter an der Versammlung teilnehmen. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Entziehung des Stimmrechts und der Ausschluss von der Versammlung seien ebenso nichtig wie die nach ihrem Ausschluss gefassten Beschlüsse.
Es kann offen bleiben, ob der rechtswidrige Ausschluss der Klägerin von der Versammlung und der Entzug des Stimmrechts zur Nichtigkeit der ohne die Beteiligung der Klägerin gefassten Beschlüsse führt oder lediglich deren Anfechtbarkeit begründet. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine diesbezügliche Unterscheidung entbehrlich ist, wenn die Klage - wie hier - nach § 46 Abs.1 Satz 2 WEG fristgerecht eingelegt und begründet worden ist. Der V. Senat führte weiters aus:
Die genannten Beschlüsse sind rechtsfehlerhaft zustande gekommen. Die genannte Regelung der Teilungserklärung ist nichtig. Ein Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung von Beiträgen in Verzug ist, kann deswegen nicht von der Wohnungseigentümerversammlung ausgeschlossen werden; ihm kann auch nicht das Stimmrecht entzogen werden.
Zwar lässt das Wohnungseigentumsrecht den Wohnungseigentümern nach § 10 Abs.2 Satz 2 WEG weitgehend freie Hand, wie sie ihr Verhältnis untereinander ordnen. Diese Gestaltungsfreiheit besteht auch dann, wenn der teilende Eigentümer Regelungen der Gemeinschaftsordnung in der Teilungserklärung vorgibt. Schranken für den Inhalt der Gemeinschaftsordnung ergeben sich jedoch aus den Grenzen der Privatautonomie nach §§ 134, 138 BGB. Von dem teilenden Eigentümer einseitig vorgegebene Bestimmungen unterliegen außerdem einer Inhaltskontrolle (bei der streitig ist, ob die für AGB geltenden Vorschriften der §§ 307 ff. BGB entsprechend anzuwenden sind oder ob sich diese Kontrolle unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auszurichten hat).
Der Senat hat bereits entschieden, dass die Gestaltungsfreiheit für Gemeinschaftsordnungen dort endet, wo die personenrechtliche Gemeinschaftsstellung der Wohnungseigentümer ausgehöhlt wird, und dass das mitgliedschaftsrechtliche Element des Wohnungseigentums einen allgemeinen Ausschluss des Wohnungseigentümers vom Stimmrecht verbietet. Hiergegen verstoßende Regelungen sind nach § 134 BGB nichtig.
Erst recht ist ein allgemeiner Ausschluss von Versammlungen der Wohnungseigentümer unzulässig, weil dem Mitglied dadurch nicht nur faktisch sein Stimmrecht genommen, sondern ihm darüber hinaus die ebenfalls in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte fallende Befugnis abgeschnitten wird, auf die Willensbildung der Gemeinschaft durch Rede und Gegenrede Einfluss zu nehmen. Ein Eingriff in das Teilnahmerecht ist nur statthaft, wenn auf andere Weise die geordnete Durchführung einer Versammlung nicht gewährleistet werden kann. Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Beitragsrückstand und die Dauer des Verzuges erheblich sind und der Wohnungseigentümer dadurch in schwerwiegender Weise gegen seine Pflicht verstößt, durch Leistung der auf ihn entfallenden Beiträge an der Sicherung der finanzielle Grundlage der Wohnungseigentümergemeinschaft mitzuwirken. Wie § 25 Abs.5 Alt. 3 WEG zeigt, tritt ein Verlust des Stimmrechts auch in solchen Fällen erst ein, wenn der betreffende Wohnungseigentümer - anders als hier - unter den strengen Voraussetzungen des § 18 WEG rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verurteilt worden ist. Und selbst dann bleibt das Recht auf Teilnahme an Versammlungen bis zur Übertragung des Wohnungseigentums auf den Erwerber bestehen.
Der rechtsfehlerhafte Ausschluss der Klägerin schlägt auf die nachfolgend gefassten Beschlüsse durch. Die Ungültigerklärung von Beschlüssen scheidet in der Regel aus, wenn feststeht, dass sich ein Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat; anders verhält es sich jedoch bei schwerwiegenden Eingriffen in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Wohnungseigentümers in gravierender Weise ausgehebelt wird. Der Entzug des Stimmrechts und der Ausschluss von der Versammlung der Wohnungseigentümer stellt einen solch schwerwiegenden Eingriff in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte dar, sodass unerheblich ist, ob die gefassten Beschlüsse auch bei einer Mitwirkung des (ausgeschlossenen) Mitgliedes die erforderliche Mehrheit gefunden hätten.
BGH vom 10.12.2010, Az. V ZR 60/10
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