Beginn der Zehnjahresfrist des § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB
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(ip/RVR) Der X. Zivilsenat des BGH hatte kürzlich bzgl. der Geltendmachung eines Anspruchs auf Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers zu entscheiden. Dem Beklagten wurden von seiner Mutter unentgeltlich Grundstücke zum Alleineigentum übertragen; mit dem hierzu geschlossenen notariellen Vertrag räumte der Beklagte seiner Mutter ein lebenslanges Wohnungsrecht an einem der Grundstücke ein. Die Vertragsparteien bewilligten und beantragten die Eintragung der Rechtsänderungen in das Grundbuch. Der beurkundende Notar reichte den Eintragungsantrag im Dezember 1995 beim Grundbuchamt ein. Die Eintragung erfolgte im März 1996. Der Kläger gewährte der inzwischen verstorbenen Mutter des Beklagten von Februar 2006 an Sozialhilfeleistungen für die Unterbringung in einem Pflegeheim und nimmt den Beklagten nun in entsprechender Höhe aus übergeleitetem Recht auf Herausgabe des Wertes der übertragenen Grundstücksanteile in Anspruch.
Die streitentscheidende Frage, zu welchem Zeitpunkt die Leistung des geschenkten Gegenstand i.S.v. § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB erfolgt, sodass die Zehnjahresfrist zu laufen beginnt, wird in Literatur und Instanzrechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wird vertreten, dass die Leistung in diesem Sinne erst dann erfolgt, wenn der Leistungserfolg – bei der Übertragung von Rechten an Grundstücken die mit der Eintragung im Grundbuch - eingetreten ist. Die Gegenauffassung erachtet hierzu als ausreichend, dass der Schenker alles für das Eintreten des Leistungserfolgs erforderliche getan hat.
Der Senat entschied nun, dass es bei einer Grundstücksschenkung für die Leistung des geschenkten Gegenstandes im Sinne von § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB genügt, wenn der Schenkungsvertrag formgerecht geschlossen und die Auflassung formgerecht erklärt ist und der Beschenkte einen Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung beim Grundbuchamt eingereicht hat.
Er stellte hierzu zunächst fest, dass die Rechtsprechung des BGH zu § 2325 Abs. 3 BGB auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar ist. Nach dieser Rechtsprechung beginnt die in § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgesehene Zehnjahresfrist, während der ein Pflichtteilsberechtigter Pflichtteilsergänzung wegen durch den Erblasser vorgenommene Schenkungen beanspruchen kann, frühestens mit der wirtschaftlichen Ausgliederung des Schenkungsgegenstandes aus dem Vermögen des Schenkenden. Bei Grundstücksschenkungen liegt dieser Zeitpunkt nicht vor der Eintragung des Rechtsübergangs im Grundbuch.
Der BGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, für die Auslegung von § 2325 Abs. 3 BGB gebe weder der allgemeine Sprachgebrauch noch der spezifisch juristische Sinn, der dem Wort "Leistung" auf den Gebieten des Schuldrechts oder des Erbrechts beigelegt werde, hinreichend Aufschluss. Die Bedeutung des Wortes "Leistung" könne vielmehr nur unter Beachtung des jeweiligen Regelungszusammenhanges der betreffenden Vorschrift und des mit ihr verfolgten gesetzgeberischen Zweckes erschlossen und entwickelt werden.
Die Vorschrift des § 2325 Abs. 3 BGB soll den Interessen der Pflichtteilsberechtigten Rechnung tragen: Bleibt der Schenker auch nach der Schenkung im Genuss des verschenkten Gegenstands, weil er ihn tatsächlich nicht entbehren muss, soll dies nicht die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten beeinträchtigen können. Deshalb darf die Zehnjahresfrist hier frühestens mit der wirtschaftlichen Ausgliederung des Schenkungsgegenstands aus dem Vermögen des Erblassers beginnen.
Der Anspruch auf Herausgabe eines Geschenks wegen Verarmung des Schenkers gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB hingegen soll den Schenker in die Lage versetzen, seinen Unterhalt selbst bestreiten sowie seine gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber Verwandten und Ehegatten erfüllen zu können. Damit soll zugleich eine Inanspruchnahme der Allgemeinheit für den Notbedarf des Schenkers verhindert werden. Die den Vorschriften des § 2325 BGB einerseits und des § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB andererseits zugrundeliegenden Interessenlage sind folglich nicht vergleichbar.
Die Regelung des § 529 Abs. 1 BGB hat den Zweck, einen Ausgleich zwischen dem Bedürfnis des Schenkers und dem Vertrauen des Beschenkten auf die Rechtsbeständigkeit des schenkweisen Erwerbs zu schaffen. Das Vertrauen des Beschenkten ist in umso höherem Maße schutzwürdig, je länger die Schenkung zurückliegt.
Hier ist bereits das Vertrauen in die Rechtsposition nach Auflassung und Einreichung des Umschreibungsantrags schutzwürdig. In diesem Stadium hat der Beschenkte zwar noch nicht die Rechtsstellung erlangt, die ihm dem Schenkungsversprechen zufolge zukommen soll. Die erlangte Position ist jedoch schon geschützt, da die Eintragung bereits in der notariellen Urkunde von 1995 bewilligt und beantragt wurde, sodass der Erwerber einen eigenen Antrag gestellt hat. Der Notar hat nicht anstelle des von ihm beurkundeten Eintragungsantrags des Beklagten einen eigenen Eintragungsantrag auf der Grundlage des § 15 GBO gestellt, sondern die Eintragungsanträge der Vertragsparteien und damit auch den Antrag des Beklagten auf Eintragung des Eigentumswechsels beim Grundbuchamt eingereicht. Auch dass dem Notar eine Vollmacht erteilt worden ist, aufgrund derer dieser dazu befugt ist gestellte Eintragungsanträge zurückzunehmen, kann der Erlangung einer geschützten Stellung nicht entgegenstehen. Denn der Beschenkte hat dann eine hinreichend geschützte Stellung erlangt, wenn der Erwerb des geschenkten Grundstücks ohne seine Mitwirkung weder vom Schenker noch von Dritten verhindert werden kann. Die Rücknahme eines vom Beschenkten selbst gestellten Eintragungsantrags durch eine von ihm hierzu bevollmächtigte Person kann nicht als Handeln eines Dritten in diesem Sinne angesehen werden. Sie ist gemäß § 164 Abs. 1 BGB vielmehr wie eine Rechtshandlung des Vollmachtgebers selbst zu behandeln.
Der Beschenkte kann hier also davon ausgehen, dass der Rechtserwerb ohne seine Mitwirkung weder vom Schenker noch von Dritten verhindert werden kann, sondern nur noch vom Vollzug der Eintragungshandlung durch das Grundbuchamt abhängt. Er ist durch § 17 GBO davor geschützt, dass der Rechtserwerb durch anderweitige Verfügungen des Schenkers oder durch Vollstreckungsmaßnahmen von dessen Gläubigern vereitelt wird. Wegen § 878 BGB und § 91 Abs. 2 InsO kann der Rechtserwerb auch nicht daran scheitern, dass der Schenker nachträglich in der Verfügung über das Grundstück beschränkt wird. Nach der seit 1999 geltenden Rechtslage beginnen sogar die Fristen für eine Gläubigeranfechtung innerhalb (§ 140 Abs. 2 Satz 1 InsO) oder außerhalb (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AnfG) eines Insolvenzverfahrens, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schenkers für diesen bindend geworden ist und der Beschenkte den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat.
Die für den eigentlichen Rechtsübergang erforderliche Eintragung im Grundbuch ist nur noch eine Formalie, deren Vornahme er auch gegenüber dem Grundbuchamt verlangen kann. Der Zeitpunkt der Eintragung hängt nur noch von der Bearbeitungsdauer im Grundbuchamt ab. Angesichts all dessen erschiene es verfehlt, für den Beginn der in § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB vorgesehenen Frist abweichend von den oben genannten Rechtsvorschriften auf den Vollzug der Rechtsänderung im Grundbuch abzustellen. In der hier zu beurteilenden Konstellation bestehen auch keine Schwierigkeiten, den Beginn der Zehnjahresfrist festzustellen. Der Eingang eines Eintragungsantrags beim Grundbuchamt kann in aller Regel anhand der Grundakten ermittelt werden.
Der Senat entschied außerdem, dass der Beginn der in § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB vorgesehenen Zehnjahresfrist auch nicht dadurch gehindert wird, dass sich der Schenker an dem verschenkten Grundstück ein lebenslanges Nutzungsrecht vorbehält.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 2325 Abs. 3 BGB liegt eine Leistung im Sinne dieser Vorschrift nur vor, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand - sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte, sei es durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche - im Wesentlichen weiterhin zu nutzen. Auch dies beruht auf der besonderen Interessenlage, die dieser Vorschrift zu Grunde liegt, und kann nicht auf die hier zu beurteilende Konstellation übertragen werden.
Die Rechtsprechung zu § 2325 Abs. 3 BGB beruht auf der Erwägung, dass nach der Konzeption des Gesetzgebers nur solche Vermögensstücke bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs unberücksichtigt bleiben sollen, deren "Genuss" der Erblasser schon zehn Jahre vor dem Erbfall entbehrt hat. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Erblasser, der die Schenkung vornimmt, und ein Pflichtteilsberechtigter, der als Gläubiger eines Anspruchs aus § 2325 BGB in Betracht kommt, typischerweise entgegengesetzte Interessen haben. Der Vorbehalt eines Nutzungsrechts für die Lebensdauer des Schenkers kommt nur dem Schenker, nicht aber dem Pflichtteilsberechtigten zu Gute. Deshalb soll diesem aus einer mit dieser Maßgabe erfolgten Schenkung kein Nachteil entstehen. Im hier zu beurteilenden Zusammenhang kommt der Vorbehalt eines Nutzungsrechts hingegen auch den Personen zugute, denen der Schenker Unterhalt schuldet, oder die für seinen Unterhalt aufzukommen haben. Das Nutzungsrecht hat zur Folge, dass der Schenker zumindest einen Teil seines Unterhaltsbedarfs decken kann. Dies erhöht seine Leistungsfähigkeit gegenüber Unterhaltsberechtigten und vermindert seine Bedürftigkeit gegenüber Unterhaltspflichtigen und dem Träger der Sozialhilfe. Die Interessen dieses Personenkreises werden nur durch die Übertragung der übrigen Befugnisse beeinträchtigt. Diese findet aber sofort mit dem Wechsel des Eigentums statt.
Der hier geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des Geschenks war folglich gemäß § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB ausgeschlossen. Die Leistung des geschenkten Gegenstandes im Sinne dieser Vorschrift war abgeschlossen, als der Eintragungsantrag des Beklagten im Dezember 1995 beim Grundbuchamt eingegangen ist. Bis zum Eintritt der Bedürftigkeit im Februar 2006 waren mithin zehn Jahre verstrichen.
BGH vom 19.07.2011, Az. X ZR 140/10
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