Duldung des Anbaus eines Balkons
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(ip/RVR) Vor einem Jahr hatte das Amtsgericht Hamburg über die Pflicht des Mieters zur Duldung des Anbaus eines Balkons zu entscheiden.
Die Beklagte ist die Mieterin der Wohnung des Klägers, der die Duldung von Modernisierungsarbeiten begehrt.
Die Wohnung verfügt über einen Balkon, der von der Küche aus zu erreichen ist.
Das monatliche Einkommen der Beklagten beträgt 1.736,07 Euro brutto zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Mit Schreiben vom 22.04.2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er beabsichtige, vor dem Wohnzimmer der Wohnung einen weiteren größeren Balkon anzubauen, und dass das bisher zur Straße hin gerichtete Doppelfensterelement durch Balkontür ersetzt werden solle. Er bat um die Duldung dieser Maßnahme.
Die Beklagte ließ mitteilen, dass das Anforderungsschreiben unzureichend sei und dass die angekündigte Mietzinserhöhung dazu führen würde, dass 50 % des Einkommens für die Wohnung aufgewandt werden müsste.
Mit dem Schreiben des Klägers vom 11.07.2008 wird die Überlegung dargestellt, die Baumaßnahme durchzuführen. Wenn die Beklagte zur Zahlung der Kosten nicht in der Lage wäre, könne der Balkon gesperrt werden und nicht Gegenstand des Mietverhältnisses werden.
Mit Schreiben vom 18.07.2008 ließ die Beklagte mitteilen, dass sie mit der Baumaßnahme nicht einverstanden sei. Sie erkläre sich jedoch mit der Duldung der Baumaßnahme unter der Voraussetzung bereit, dass keinerlei bauliche Veränderung ihrer Wohnung stattfinde, der Balkon gesperrt und nicht Gegenstand des Mietverhältnisses werde. Mit Schreiben vom 13.08.2008 wiederholte die Beklagte dieses Angebot.
Der Kläger reagierte hierauf nicht.
Die Balkonanlage wurde im Herbst 2008 installiert.
Mit Schreiben vom 27.01.2009 bat der Kläger die Beklagte um Zutritt zur Wohnung, so dass der Wanddurchbruch und der Fenstereinbau veranlasst werden könne.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Austausch des Fensters gegen ein Balkontürelement und die Verlegung des Heizkörpers zu dulden. Darüber hinaus beantragt er, die Beklagte zu verurteilen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.
Das Amtsgericht Hamburg entschied, dass die Klage nicht begründet ist.
Der Anspruch des Klägers scheitert zwar nicht bereits daran, dass er die Beklagte entgegen § 544 Abs. 3 BGB nicht vorab genügend informiert hat. Im Schreiben des Klägers vom 01.07.2008 sind alle Informationen notiert, die die Beklagte für die Duldungsentscheidung benötigt. Darüber hinaus stellt der Anbau des zweiten Balkons eine wohnwertverbessernde Maßnahme dar.
Die Beklagte braucht jedoch die Baumaßnahme gemäß § 554 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht zu dulden, da die zu erwartende Mieterhöhung für sie eine Härte darstellt, die unter Würdigung auch der Belange des Klägers nicht zu rechtfertigen ist. Das Monats-Netto-Einkommen der Beklagten beträgt 1.307,00 Euro. Bei einer Miete von 518,36 Euro beträgt der Anteil der Miete am Netto-Einkommen knapp 40 %. Zum Leben verblieben der Beklagten nur noch 788,00 Euro. „Diese Härte ist auch bei Würdigung der Belange des Klägers nicht zu rechtfertigen.
Schließlich hat die zu erwartende Mieterhöhung auch nicht gemäß § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB außer Betracht zu bleiben, da die Wohnungen mit zwei Balkonen nicht allgemein üblich sind.
Demzufolge kann der Kläger von der Beklagten nicht gemäß § 554 BGB verlangen, dass sie die von ihm begehrte Baumaßnahme duldet. Vorgerichtliche Anwaltskosten braucht die Beklagte mangels eines Anspruches der Klägerseite nicht zu erstatten.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Leitsatz fasst zusammen:
„Der Anbau eines Balkons mit einer Grundfläche von ca. 3,5 x 1,5 m vor dem Wohnzimmer stellt eine Modernisierungsmaßnahme dar, auch wenn die Wohnung bereits über einen kleinen, von der Küche aus begehbaren Balkon verfügt. Zwei Balkone bei einem Haus aus den 50er-Jahren in Hamburg stellen nicht den allgemein üblichen Zustand dar. Wenn von dem Einkommen aufgrund der zukünftigen Mieterhöhung ca. 37% für die Miete verwendet werden müssen, stellt dieses eine erhebliche Härte dar, so dass der Mieter die Baumaßnahme nicht dulden muss. Sind jedoch lediglich 34% des Einkommens für die zukünftige Miete aufzuwenden, so stellt dieses noch keine unzumutbare Härte dar und der Mieter hat die Modernisierungsmaßnahme zu dulden.“
AG Hamburg vom 29.07.2009, Az.: 40B C 42/09
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