Mehrmengenberechnung nicht "unsittlich"
Lesezeit: 2 Minuten
(ip/pp) Der Bundesgerichtshof hatte im einem aktuellen Verfahren darüber zu entscheiden, welche Rechtsfolgen die Vereinbarung eines spekulativ überhöhten Einheitspreises einer Position eines Bauvertrages habe, wenn sich gerade in dieser Position Mengenmehrungen realisieren. Das klagende Bauunternehmen hatte vom öffentlichen Auftraggeber Mehrvergütung wegen Mengenüberschreitungen in zwei Positionen des Leistungsverzeichnisses der Beklagten verlangt, die die Lieferung von Betonstahl und Betonstahlmatten betrafen. Die Mehrmengen von insgesamt ca. 1.400 kg hatten sich herausgestellt, nachdem der Auftraggeber für einen bestimmten Baubereich eine bislang fehlende Statik nachgeliefert hatte. Die Klägerin berechnete ihre Mehrvergütung nach VOB/B unter Heranziehung des von ihr im Leistungsverzeichnis eingesetzten Einheitspreises mit 2.045,14 DM/kg. Dieser Preis lag um mehr als das 800fache über dem allgemein üblichen Durchschnittspreis von 2,47 DM/kg. Andere Bieter hatten die Positionen zwischen 1,05 DM/kg und 5,93 DM/kg angeboten. Das Landgericht hat die Klage in diesem Punkt abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr teilweise stattgegeben.
Der BGH hat die Sache letztinstanzlich an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, da der Klägerin Gelegenheit gegeben werden müsse, die Vermutung ihrer verwerflichen Gesinnung zu widerlegen. In seiner betreffenden Presseerklärung fasst er wie folgt zusammen:
“Eine Vereinbarung zwischen Bauvertragsparteien, nach der dem Auftragnehmer für diejenigen Mengen einer Position, die über die im Leistungsverzeichnis geschätzten Mengen hinausgehen, ein Einheitspreis gezahlt wird, der den üblichen Preis um mehr als das Achthundertfache übersteigt, verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn der Preisbildung ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben zugrunde liegt. Dafür besteht bei einem derart auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung eine Vermutung, die der Auftragnehmer widerlegen kann. Sie wird allerdings nicht allein dadurch ausgeräumt, dass im Baugewerbe üblicherweise so genannte Spekulationspreise eingesetzt werden, wenn für den Auftragnehmer die Erwartung besteht, dass die in der Ausschreibung geschätzten Mengen in Wahrheit deutlich höher sind.”
BGH, Az.: VII ZR 201/06