Nachträglicher Einbau im gemeinschaftlichen Klingeltableau
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(ip/RVR) In einem seiner aktuellen Urteile setzte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Problematik des Einbaus einer Videoanlage im gemeinschaftlichen Klingeltableau auseinander.
Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 24. Mai 2008 wurde ihr Antrag auf Genehmigung des Einbaus einer Videokamera im Klingeltableau abgelehnt.
Auf ihre Klage erklärte das Amtsgericht den Beschluss der Wohnungseigentümer für ungültig und verurteilte die Beklagten, den Einbau einer Videokamera am Klingeltableau zu genehmigen, die es dem Gerufenen ermöglicht, den bei ihm Läutenden zu sehen, wobei die Anlage so konfiguriert sei, dass kein Teilnehmer die Möglichkeit hat, die Hausstation einzuschalten, wenn er nicht angeklingelt wurde.
Auf die Berufung der Beklagten änderte das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts ab und wies die Klage ab.
Die Klägerin möchte mit der Revision eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision.
Der BGH entschied, dass die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung standhalten. Der BGH stellte fest, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Anspruch nach § 22 Abs. 1 WEG verneint hat. Zur Begründung führte der BGH unter anderem aus, dass der nachträgliche Einbau einer Videokamera am Klingeltableau der Wohnanlage eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums darstellt und dass solche Veränderungen nur beschlossen oder verlangt werden können, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Hierbei ist entscheidend, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann. Es muss folglich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ermittelt werden, ob der Einbau einer Videokamera einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Wohnungseigentümer darstellt. Durch den Einbau der Videoanlage am Klingeltableau soll der Klägerin die Möglichkeit verschafft werden, durch eine zeitlich begrenzte Bildübertragung den bei ihr klingelnden Besucher zu identifizieren und über dessen Einlass in das Haus zu entscheiden. In diesen engen Grenzen, so der BGH, bewirkt die geplante Maßnahme keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Wohnungseigentümer. „Allein die fern liegende, mehr oder weniger theoretische Möglichkeit, durch manipulative Eingriffe die Konfiguration der Anlage so zu ändern, dass die Videokamera unabhängig von einem Klingeln aktiviert werden kann, rechtfertigt nicht die Annahme einer über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus gehenden Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer.” Ein Nachteil ist erst dann zu bejahen, wenn durch die Videokamera die Beeinträchtigung eines anderen Wohnungseigentümers hinreichend wahrscheinlich ist. „Allein die Tatsache, dass ein Fachmann, der über die erforderlichen Kenntnisse verfügt und die benötigten Konfiguratoren hat, die Konfiguration der Anlage nachträglich ändern und die Kamera auf Dauerbetrieb umstellen könnte, reicht hierfür nicht aus.“
Somit ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es zu Lasten der Klägerin ergangen ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Der Leitsatz fasst zusammen:
„Der nachträgliche Einbau einer Videoanlage im gemeinschaftlichen Klingeltableau kann gemäß § 22 Abs. 1 WEG verlangt werden, wenn die Kamera nur durch Betätigung der Klingel aktiviert wird, eine Bildübertragung allein in die Wohnung erfolgt, bei der geklingelt wurde, die Bildübertragung nach spätestens einer Minute unterbrochen wird und die Anlage nicht das dauerhafte Aufzeichnen von Bildern ermöglicht.”
“Die theoretische Möglichkeit einer manipulativen Veränderung der Anlage rechtfertigt nicht die Annahme einer über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehenden Beeinträchtigung. Ein Nachteil liegt erst vor, wenn eine Manipulation aufgrund der konkreten Umstände hinreichen wahrscheinlich ist.”
BGH vom 08.04.2011, Az.: V ZR 210/10
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