Paralleles Vorgehen gegen beide Anspruchsgegner
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(ip/RVR) Mit notariellem Vertrag aus dem Jahre 2006 kaufte der Kläger ein Grundstück von einer GmbH, welches ihm lastenfrei übertragen werden sollte. Seit Mai 2006 ist zu seinen Gunsten eine Eigentumsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Im Jahre 2008 wurde zugunsten des Beklagten eine Zwangssicherungshypothek eingetragen. Die Eigentumsumschreibung auf den Kläger ist noch nicht erfolgt. Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Bewilligung der Löschung der Zwangssicherungshypothek. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben; das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Das Berufungsgericht meint, ein Vormerkungsberechtigter könne den Löschungsanspruch nach § 888 Abs. 1 BGB grundsätzlich erst nach seiner Eintragung als Eigentümer geltend machen. Denn vor der Eigentumsumschreibung sei offen, ob es tatsächlich zu einer Vollrechtseintragung komme und sich die in § 879 Abs. 1 BGB geregelte Rangwahrung verwirkliche. Ein Löschungsanspruch des Klägers bestehe daher erst, wenn er mit dem Rang der Vormerkung als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sei.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Anspruch nach § 888 Abs. 1 BGB setzt nicht voraus, dass der Vormerkungsberechtigte bereits als Eigentümer (oder sonstiger Rechtsinhaber) in das Grundbuch eingetragen worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Anspruch nach § 888 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden, sobald der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch entstanden und fällig ist. Die Durchsetzung des Anspruchs gemäß § 888 Abs. 1 BGB setzt nicht die Eintragung des Vormerkungsberechtigten im Grundbuch voraus.
Die Auffassung, ein Eigentumsvormerkungsberechtigter könne erst nach seiner Eintragung als Eigentümer die Zustimmung zur Löschung einer vormerkungswidrigen Belastung des Grundstücks verlangen, überzeugt schon deshalb nicht, weil sie je nach Art der vormerkungswidrigen Verfügung zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen unterschiedlichen Ausgestaltung des Anspruchs nach § 888 Abs. 1 BGB führte: Besteht die vormerkungswidrige Belastung in der Übertragung des Eigentums an einen Dritten, müsste ebendieser Dritterwerber die Zustimmung nach § 888 Abs. 1 BGB zur Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer erteilen. Bei einer solchen erfüllungsvereitelnden Verfügung ist deshalb denknotwendig ausgeschlossen, die Entstehung des Anspruchs nach § 888 Abs. 1 BGB von der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer abhängig zu machen. Weshalb dies anders sein sollte, wenn der gleiche Anspruch - wie hier - gegen einen nach der Eigentumsvormerkung eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger geltend gemacht wird, dessen Recht den vorgemerkten Anspruch beeinträchtigt, ist nicht nachzuvollziehen. In beiden Fällen ist die Verfügung nach § 883 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Vormerkungsberechtigten gegenüber unwirksam; das gilt auch dann, wenn sie - wie hier - im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt (§ 883 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Das Interesse des nach § 888 Abs. 1 BGB in Anspruch genommenen Dritten, seine Rechtsposition erst aufgeben zu müssen, wenn feststeht, dass der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch besteht, wird dadurch geschützt, dass der Dritte gegenüber dem Vormerkungsberechtigten Einreden und Einwendungen gegen die Vormerkung und den durch sie gesicherten Anspruch erheben kann - auch den Einwand, der gesicherte Anspruch sei untergegangen. Dabei muss der Vormerkungsberechtigte Bestehen und Fälligkeit des gesicherten Anspruchs darlegen und beweisen; der Vormerkungsberechtigte kann die Löschung des vormerkungswidrig eingetragenen Rechts nur im Zuge der Erfüllung seines vorgemerkten Anspruchs erreichen.
§ 888 Abs. 1 BGB begründet einen unselbständigen Hilfsanspruch, der allein der Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dient. Während § 883 Abs. 2 BGB für das materielle Recht die relative Unwirksamkeit des Rechtserwerbs des Dritten anordnet, stellt die Vorschrift des § 888 BGB sicher, dass die nach dem formellen Grundbuchrecht notwendige Bewilligung des Betroffenen (§ 19 GBO) erwirkt werden kann. Der akzessorische Charakter des Anspruchs wird materiellrechtlich durch den Erklärungsgehalt der abzugebenden Zustimmung sichergestellt; dieser richtet sich nach dem Inhalt des vormerkungsgesicherten Anspruchs. Ist er - wie hier - auf die Übertragung lastenfreien Eigentums gerichtet, kann der Vormerkungsberechtigte nicht die Zustimmung zu einer sofortigen Löschung des Grundpfandrechts verlangen, sondern nur die Zustimmung dazu, dass das Grundpfandrecht mit der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer gelöscht wird.
Auf der Ebene des formellen Grundbuchrechts scheitert eine isolierte, von der Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs losgelöste Löschung des Grundpfandrechts durch den Vormerkungsberechtigten daran, dass ihm die nach § 13 GBO erforderliche Antragsbefugnis fehlt.
Auch deshalb ist es unbedenklich, die Klage nach § 888 BGB vor der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer zuzulassen.
Bei vormerkungswidrigem Rechtserwerb muss der Vormerkungsberechtigte i.d.R. Ansprüche gegen zwei verschiedene Personen geltend machen, um den vorgemerkten Anspruch zu verwirklichen: seinen Anspruch auf Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs (hier: auf lastenfreie Übereignung) gegen den Vormerkungsschuldner - welcher als Grundstückseigentümer gemäß § 13 GBO alleinig zur Stellung des Löschungsantrags berechtigt ist - und seinen Anspruch auf Zustimmung dazu nach § 888 BGB gegen den Dritten. Da die Verwirklichung des vorgemerkten Anspruchs die Mitwirkung sowohl des Anspruchsschuldners als auch des Dritten erfordert, muss der Vormerkungsberechtigte parallel gegen sie vorgehen können, um annähernd gleichzeitig gegen beide einen vollstreckbaren Titel zu erlangen.
Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
BGH vom 02.07.2010, Az. V ZR 240/09
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