(ip/RVR) Gegenstand eines der aktuellen Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) München war Anspruch auf restlichen Werklohn für Fassadenbauarbeiten und Gegenansprüche auf Grund eines Wasserschadens, mit denen die Aufrechnung erklärt worden ist.

In den Jahren 2002/2003 ließ der Beklagte als Bauherr einen Neubau errichten.

Mit Schreiben vom 01.10.2002 erhielt die Klägerin im Namen und für Rechnung des Beklagten auf der Grundlage ihres Angebots vom 16.08.2002 den Auftrag für die Fassadenbauarbeiten einschließlich der Oberlichtkonstruktion für das Lichtband im Dachbereich.

Gemäß Nr. 1.7 des Leistungsverzeichnisses „Fassadenbau“ war die Klägerin verpflichtet, angrenzende Bauteile vor Verschmutzungen durch Abdecken, Abkleben oder Verhängen ausreichend zu schützen. Darüber hinaus hatte sie für einen ausreichenden Oberflächenschutz bis zur Abnahme ihrer Leistung zu sorgen.

Die Streithelferin zu 1 wurde mit den Zimmerer- und Holzbauarbeiten, die Streithelferin zu 2 mit den Dachabdichtungsarbeiten beauftragt. Gemäß den Leistungsverzeichnissen „Holzbauarbeiten“ und „Dachabdichtungsarbeiten“ wurden die beiden Streithelferinnen ebenfalls verpflichtet, für den Schutz von Bauteilen etc. zu sorgen.

Nach starken Regenfällen in der Zeit vom 03.10.2003 bis 05.10.2003 wurden ab dem 06.10.2003 Wassereinbrüche in das Gebäudeinnere sowie austretende Feuchtigkeit an den Deckenunterseiten und den Konstruktionsanschlüssen der Tragwerke festgestellt. Im Bereich des Lichtbandes wurde von der Klägerin lediglich eine provisorische Abdeckung angebracht, die aus lose aufgelegten OSB-Platten und einer Abdeckfolie bestand, deren Folienstöße nicht abgedichtet waren. Im Bereich der Dachränder wurden die Fassadenanschlüsse durch Überhänge der Dachdichtungen ebenfalls provisorisch abgedeckt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Streithelferin zu 2 ihre Dachabdichtungs¬arbeiten bereits abgeschlossen.

Der von dem Beklagten eingeschaltete Privatsachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die bei den untersuchten Teilflächen festgestellte Feuchtigkeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf fehlerhafte provisorische Abdeckungen des durchgehenden Lichtbandes sowie der umlaufenden Attikaanschlüsse der Dachfläche zurückzuführen sei.

Nach Abnahme ihrer Werkleistung erstellte die Klägerin ihre Schlussrechnung, aus der noch eine restliche Vergütung in Höhe von 257.700,00 Euro rechnerisch offen ist.

Der Beklagte bezifferte den Sanierungsaufwand, den er dem Vergütungsanspruch der Klägerin entgegensetzte, auf insgesamt 285.826,09 Euro.

Die Streithelferin zu 2 ermächtigte den Beklagten, den durch die Neuherstellung der Dachabdichtung entstandenen Mehraufwand im eigenen Namen gegenüber der Klägerin geltend zu machen.

Durch Endurteil vom 01.02.2011 verurteilte das Landgericht München I den Beklagten unter Klageabweisung zur Zahlung von 71.539,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2005.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein und beantragte, das angefochtene Urteil abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den Beklagten zur Zahlung von 257.700,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2005 zu verurteilen.

Der Beklagte und die Streithelferin zu 2 beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen; außerdem hat der Beklagte Anschlussberufung eingelegt, mit der er beantragt, die Klage vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Anschlussberufung abzuweisen.

Das OLG München entschied, dass die Berufung der Klägerin zulässig und zum Teil begründet ist. Es wurde ausgeführt, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein restlicher Werklohnanspruch in Höhe von 152.505,02 nach § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2 Nr. 2 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) zusteht.

Die Entscheidung wurde u.a. wie folgt begründet: Es ist zwar unstreitig, dass aus der Schlussrechnung der Klägerin vom 23.12.2004 noch ein Betrag von 257.700,00 Euro offen ist. Es ist jedoch zu beachten, dass diesem Werklohnanspruch ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB in Höhe von 105.194,98 Euro entgegensteht, so dass die Forderung der Klägerin insoweit gemäß §§ 387, 289 BGB erloschen ist.

Gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 VOB/B hatte die Klägerin, so das OLG, nicht nur ihre Leistungen, sondern auch die ihr für die Ausführung übergebenen Gegenstände vor Beschädigung zu schützen. Hierzu gehörten auch das bereits weitgehend fertig gestellte Hauptgebäude und die Vorleistungen anderer Unternehmer, insbesondere Holzbau- und Abdichtungsarbeiten der beiden Streithelferinnen im Dachbereich. Darüber hinaus gehörte es zur vertraglichen Leistung der Klägerin im Sinne von § 2 Nr. 1 VOB/B, die Arbeiten gegen Niederschlagswasser zu sichern. Die oben aufgeführte Nr. 1.7 des Leistungsverzeichnisses ergänzte die Schutzpflichten der Klägerin. Die von ihr ausgeführten Arbeiten betrafen einen besonders wichtigen Bauabschnitt, der für das Gelingen des ganzen Werkes von großer Bedeutung war. Die Arbeiten waren in hohem Maße witterungsabhängig. Darüber hinaus musste angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit mit Herbststürmen und Starkregenfällen gerechnet werden. In Anbetracht dieser Umstände waren die von der Klägerin getroffenen Schutzmaßnahmen völlig unzureichend. „Die Abdeckung des Lichtbandes mit lose verlegten OSB-Platten und die Überspannung der Tragkonstruktion mit einer unzureichend befestigten Abdeckfolie, deren Stöße zudem nicht abgedichtet waren, stellten Maßnahmen dar, die widrigen Wettereinflüssen, insbesondere Sturmböen und Starkregen, von vornherein und absehbar nicht standhalten konnten.“ Folglich führten Sturm und Regen dazu, dass die undichten Folienstöße ins Gebäudeinnere und die Dachkonstruktion eindrangen.

Das OLG führte weiter aus, dass bei Schadensverursachung durch mehrere Baubeteiligte grundsätzlich keine Quotierung nach Kopfteilen erfolgt. Es muss anhand des § 254 BGB abgewogen werden, inwieweit der Schaden dem einen oder anderen zuzurechnen ist. „Der Verteilungsmaßstab ergibt sich aus einer Abwägung der Umstände des Falles, wobei primär auf das Maß der beiderseitigen Verursachung abzustellen ist und erst in zweiter Linie auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens.“ Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung haftet überwiegend derjenige, dessen Verhalten den Eintritt des Schadens in erheblich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat.

Im vorliegenden Fall, so das OLG, hat die Klägerin die Hauptursache für die streitgegenständlichen Schäden gesetzt. Der Senat geht von folgenden Verursachungsanteilen aus:

  • Klägerin (40%): „Sie hat durch völlig unzureichende Schutzmaßnahmen den streitgegenständlichen Wasserschaden primär verursacht.“
  • Streithelferin zu 2 (20%): „Die Ausführungsfehler der Streithelferin hinsichtlich der Dampfsperre haben in deutlich geringerem Umfang zu den Wassereinbrüchen und der Wasserverteilung in der Dachkonstruktion beigetragen.“
  • Bauleitung (20%): Dem bauüberwachenden Architekturbüro sind schwerwiegende Überwachungsfehler unterlaufen und es handelte sich um besonders fehlerträchtige Bauabschnitte.
  • Streithelferin zu 1 (10%): „Die Ausführungsfehler der Streithelferin betrafen die provisorische Notabdichtung und wirkten sich nur im Bereich der Kertoplatten aus.“
  • Vorschäden (10%): Die Vorschäden spielen nur in einem verhältnismäßig kleinen Bereich eine Rolle.

Soweit der Beklagte die von der Streithelferin zu 2 in Rechnung gestellten Sanierungskosten erstattet verlangt, macht er keinen eigenen Schaden geltend. Es gelten die Grundsätze der Drittschadensliquidation: Der Beklagte wurde ermächtigt, den Schaden der Streithelferin im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Da er keinen eigenen Schaden geltend macht, bestimmt sich der Umfang des Schadensersatzes nach den Verhältnissen der Streithelferin. „Diese muss sich auf ihren Schaden ein etwaiges Mitverschulden des Anspruchsinhabers anrechnen lassen; außerdem muss sie sich eigenes Mitverschulden gemäß § 254 BGB entgegenhalten lassen (MüKo/Oetker a. a. O. § 249 Rdnr. 282 a. E.; Palandt/Grüneberg a. a. O. Vorbem. Vor § 249 Rdnr. 107 a. E.).“ Somit könnte sie Streithelferin zu 2 von der Klägerin nur Schadensersatz in Höhe von deren Verursachungsanteil verlangen, denn auch bei Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung der beteiligten Firmen kann ein Gesamtschuldner von den anderen Gesamtschuldnern nur den Anteil beanspruchen, den sie im Innenverhältnis zu tragen haben (Quotierung).

Im Übrigen macht der Beklagte einen eigenen Schaden in Höhe von insgesamt 105.194,98 Euro geltend.

Die Anschlussberufung ist unbegründet.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I wie folgt abgeändert:

  • Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 152.505,02 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten werden zurückgewiesen.
  • Die Revision wird nicht zugelassen.

OLG München vom 16.08.2011, Az. 9 U 1027/11


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