(ip/RVR) Mit Urteil vom 12. November 2009, Aktenzeichen 7 O 14/09, hat das Landgericht Heidelberg entschieden, dass eine Person, die ein ihr auf Lebenszeit eingeräumtes Wohnungsrecht wegen eines Umzugs ins Pflegeheim nicht weiter ausüben kann, weder einen Anspruch auf Geldersatz für die Nichtausübung noch einen Anspruch auf Gestattung der Vermietung hat. Im Gegenzug erlischt das Wohnungsrecht nicht durch das Ausübungshindernis und es entsteht auch kein schuldrechtlicher Anspruch auf die Erteilung der Zustimmung zur Löschung dieses Rechtes im Grundbuch.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Klägerin steht aufgrund des Erbauseinandersetzungs- und Testamentserfüllungsvertrages vom 03. April 1968 an den Räumen des 1. Obergeschosses des Hauses des Beklagten ein lebenslanges Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht zu. Dieses Recht ist im Grundbuch eingetragen. Aus gesundheitlichen Gründen zog die Klägerin am 01. Juni .2008 in ein Pflegeheim.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin nun eine Nutzungsentschädigung für die Nichtausübung ihres Wohnungsrechts in Höhe von 604, - €, was der ortsüblichen Miete entspricht. Hilfsweise begehrt die Klägerin, die Gestattung der Wohnungsvermietung an Dritte.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und mit seiner Widerklage, die Klägerin zur Erteilung der Zustimmung zur Löschung des im Wohnungsgrundbuch eingetragenen Wohnungs- und Benutzungsrechts zu verurteilen.

Das Landgericht Heidelberg hat sowohl die Klage als auch die Widerklage als unbegründet abgewiesen.

Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Geldersatzrente stehe der Klägerin nicht zu. Anders als bei einem Altenteilvertrag gem. Art. 96 EGBGB, §§ 6 ff., 14 ABGBG, der einen Anspruch auf Geldrente beinhaltet, wenn der oder die Begünstigte die Wohnung verlässt, sieht der Gesetzgeber eine solche Ersatzleistung bei einem reinen Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB nicht vor.

Bei dem Wohnungsrecht handelt es sich um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, die losgelöst von schuldrechtlichen Vereinbarungen ist.

Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).

Voraussetzung des § 313 BGB wäre, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, für die Parteien schwerwiegend geändert haben. Dass die/ der Wohnungsberechtigte im Alter pflegebedürftig wird und in ein Heim kommt, ist nichts Ungewöhnliches und von daher auch in gewisser Weise vorhersehbar. Das Landgericht schließt sich hier der Auffassung des 5 Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2009, 1348) an, der in seiner Entscheidung keine Vertragsanpassung nach § 313 BGB vorsah.

Auch eine ergänzende Vertragsauslegung, die das Landgericht hier mangels Regelungslücke für möglich und geboten hielt, verschafft der Klägerin keinen Geldersatzanspruch oder hilfsweise eine Gestattung zur Vermietung.

Unter Abstellung darauf, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die schuldrechtliche Vereinbarung lediglich darauf abzielte, einen Ausgleich für die Mehrzuwendung, die der Rechtsvorgänger des Beklagten damals erhalten hat, zu schaffen und nicht die komplette Versorgung der Miterben regeln sollte. Als Ausgleich einigte man sich damals auf die Einräumung eines lebenslänglichen Wohnungsrechts für die Klägerin und ihre mittlerweile verstorbene Schwester.

Eine ergänzende Auslegung würde aus Sicht des Landgerichts dem damaligen Parteiwillen widersprechen.

Ebenso würde eine ergänzende Auslegung des Vertrages dahingehend, dass der Beklagte der Klägerin die Vermietung an einen Dritten gestattet, am hypothetischen Parteiwillen scheitern. Das Wohnungsrecht ist im Grundsatz ein höchstpersönliches Nutzungsrecht. Zwar kann die Ausübung einem Dritten überlassen werden, allerdings nur mit Gestattung des Eigentümers (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wenn, wie hier, eine solche Gestattung nicht in den schuldrechtlichen Vereinbarungen enthalten ist, spricht viel dafür, dass der Eigentümer auch schuldrechtlich nicht verpflichtet sein sollte, die Nutzung durch Dritte zu dulden (BGH 2009, 1348). Eine Ergänzung des Vertragsinhaltes kommt daher bei Berücksichtigung der Interessen beider Parteien nicht in Betracht.

Bei dem zugunsten der Klägerin eingetragenen lebenslangen Wohnungsrecht handelt es sich um eine beschränkt beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Dieses Recht erlischt erst bei Eintritt des Todes bzw. durch Zerstörung der Räume oder wenn die Räume so stark beschädigt werden, dass sie nachhaltig nicht mehr bewohnbar sind, oder wenn der Vorteil im Sinne des § 1019 BGB endgültig wegfällt oder wenn die dauernde Ausübung der Grunddienstbarkeit aus tatsächlichen oder persönlichen Gründen unmöglich wird.

Im vorliegenden Fall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt.

Aus dem Umzug in ein Pflegeheim schließt die überwiegende Rechtsprechung nicht auf ein dauerhaftes Unvermögen des Rechtsinhabers, sein Wohnungsrecht auszuüben. Vielmehr handelt es sich um einen subjektiven Umstand, denn er hat grundsätzlich noch immer die Möglichkeit, das Wohnungsrecht auf andere Weise zu nutzen, etwa indem er die Räume mit Gestattung des Eigentümers vermietet (BGH NJW 2009, 1348).

Aus der Versagung der Gestattung einer Vermietung seitens des Eigentümers erwächst nach der Entscheidung des Landgerichts Heidelberg kein objektives Hindernis, denn der Eigentümer kann jederzeit seine Meinung ändern und einer Vermietung oder einer sonstigen Überlassung zustimmen.

Fazit: Der Beklagte kann von der Klägerin weder kraft Gesetzes noch aufgrund eines schuldrechtlichen Anspruches den Verzicht auf und/oder die Zustimmung zur Löschung des Wohnungsrechts verlangen.

LG Heidelberg vom 12. November 2009, Az. 7 O 14/09


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