(ip/RVR) Die Kläger sind Eigentümer in Erbengemeinschaft des Flurstücks Nr. 852/58. Der Beklagten gehört das westlich angrenzende Grundstück mit der Flurstücksnummer 853/58. Zu dessen Lasten ist im Grundbuch eine Grunddienstbarkeit (Wegerecht) zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Flurstücks 852/58 eingetragen. Da die Beklagte die Inanspruchnahme ihres Grundstücks in der gesamten west-östlichen Ausdehnung verweigert, haben die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Duldung des Betretens und Befahrens des belasteten Grundstücks zum Zweck der Bewirtschaftung ihres Flurstücks beantragt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Duldung des Betretens und Befahrens des belasteten Grundstücks. Mit der Revision will die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts können die Kläger aufgrund der Grunddienstbarkeit verlangen, dass die Beklagte ihnen und ihren Rechtsnachfolgern die Zuwegung zu ihrem Flurstück über die gesamte westöstliche Ausdehnung des belasteten Grundstücks gestattet. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass der Klageanspruch nicht verjährt ist.

Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, stehen dem Berechtigten nach § 1027 BGB die in § 1004 BGB bestimmten Rechte zu. Eine Dienstbarkeit wird i.S.d. § 1027 BGB beeinträchtigt durch jede Störung oder Behinderung ihrer rechtmäßigen Ausübung. Die Vorenthaltung des Grundstücks, auf dem die Dienstbarkeit lastet, ist eine Beeinträchtigung im Sinne der Vorschrift. Der Dienstbarkeitsberechtigte kann hier deshalb nach § 1004 Abs. 1 BGB die Beseitigung bzw. die Unterlassung der Beeinträchtigung verlangen. Dieser Anspruch ergibt sich unmittelbar aus der Grunddienstbarkeit. Er dient der Verwirklichung des Rechts, das sich aus dem Grundbuch ergibt. Nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegt dieser Anspruch dann nicht der Verjährung.

Etwas anderes ist auch der Entscheidung des Senats vom 23. Februar 1973 nicht zu entnehmen. Zwar heißt es dort im ersten Leitsatz, dass der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB kein Anspruch aus einem eingetragenen Recht im Sinne des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch, dass der Senat diese Aussage für den dem Grundstückseigentümer zustehenden Anspruch auf Beseitigung einer konkreten Eigentumsstörung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen hat. Der Anspruch des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit auf Beseitigung bzw. Unterlassung der Beeinträchtigung des Rechts nach § 1004 Abs. 1 BGB hingegen, der aus der Vorschrift des § 1027 BGB folgt, verjährt jedenfalls dann nicht, wenn es um die Verwirklichung des Rechts selbst, und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht. Auf ihn treffen die Erwägungen, mit denen der Senat die Anwendung der Vorschrift des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Anspruch des Grundstückseigentümers auf Beseitigung einer Störung des Eigentums verneint hat, nicht zu.

Nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegen Ansprüche aus eingetragenen Rechten nicht der Verjährung. Diese Regelung ergibt sich aus dem Zweck des Grundbuchs. Seine Verlautbarungen sollen Rechtssicherheit schaffen. Deshalb wird vermutet, dass demjenigen, für den ein Recht im Grundbuch eingetragen ist, dieses Recht zusteht, und dass ein im Grundbuch gelöschtes Recht nicht besteht (§ 891 BGB); darauf aufbauend wird die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers fingiert (§ 892 BGB). Es besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des Rechts, wie es im Grundbuch eingetragen ist, und damit auch der Ansprüche, die es dem Berechtigten gewährt. Dies begründet die Ausnahme vom in § 194 Abs. 1 BGB enthaltenen allgemeinen Grundsatz, dass Ansprüche verjähren. Das Rechtsinstitut der Verjährung dient ebenfalls der Rechtssicherheit: Der Schuldner soll geschützt werden vor Ansprüchen, deren Bestehen infolge langer Dauer ihrer Nichtgeltendmachung zweifelhaft und ungewiss erscheinen. Dieser Schutz ist aber für Ansprüche aus einem im Grundbuch eingetragenen Recht nicht erforderlich, wenn sich der Inhalt des Rechts aus dem Grundbuch ergibt.

Nach § 902 Abs. 1 Satz 2 BGB sind jedoch Ansprüche aus einem im Grundbuch eingetragenen Recht, die auf Rückstände wiederkehrender Leistungen oder auf Schadensersatz gerichtet sind, nicht von der Regelung des § 194 Abs. 1 BGB ausgenommen. Dies begründet sich darin, dass von der Befriedigung solcher Ansprüche die weitere Ausübung des Rechts nicht abhängt und das Grundbuch über die eingetragenen Rechte insoweit, als es die genannten Ansprüche betrifft, keine Auskunft gibt.

Beides mag für den Anspruch des Eigentümers auf Beseitigung einer konkreten Beeinträchtigung des Eigentums nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zutreffen. Bei dem hier geltend gemachten Anspruch des aus der Grunddienstbarkeit Berechtigten ist es jedoch anders. Er hat die Verwirklichung des eingetragenen Rechts selbst und nicht lediglich die Abwehr einer bestimmten Störung zum Ziel. Versagte man ihn aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Verjährung, wäre die Ausübung des Rechts insgesamt ausgeschlossen oder beschränkt. Die Grundbucheintragung erwiese sich als bloße rechtliche Hülse, die nicht mit Leben gefüllt werden könnte. Das entspricht nicht dem Zweck der Vorschrift des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Anspruch des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit auf Beseitigung oder Unterlassung der Beeinträchtigung des Rechts unterliegt somit nicht der Verjährung, wenn es um die Verwirklichung des Rechts selbst, und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht.

Dass sich der Anspruch nicht aus der Grundbucheintragung selbst ergibt, schadet nicht. Auch der Herausgabeanspruch des Grundstückseigentümers nach § 985 BGB lässt sich nicht dem Grundbuch entnehmen; gleichwohl unterliegt er nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht der Verjährung. Der Sache nach ähnelt der von dem Kläger geltend gemachte Duldungsanspruch diesem Herausgabeanspruch. Hier wie dort geht es um die Durchsetzung des im Grundbuch eingetragenen Rechts in dem Sinn, dem Rechtsinhaber die ihm zustehende Rechtsmacht (§§ 903, 1018 BGB) zu verschaffen.

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird durch die Vorschrift des § 1028 BGB bestätigt. Danach unterliegt der Anspruch des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit auf Beseitigung einer Beeinträchtigung des Rechts, die durch eine Anlage auf dem belasteten Grundstück verursacht wird, der Verjährung auch dann, wenn die Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist; mit der Verjährung des Anspruchs erlischt das Recht, soweit der Bestand der Anlage mit ihm in Widerspruch steht. Diese Regelung weicht von dem in § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltenen Grundsatz der Unverjährbarkeit ab, allerdings nur in einem besonderen Fall. Sie hat damit Ausnahmecharakter. Der Vorschrift bedürfte es indes nicht, wenn jeder Anspruch des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit verjähren könnte.

BGH vom 22.10.2010, Az. V ZR 43/10


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