(ip/RVR) Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks H.-Straße 39, die Beklagten sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks H.-Straße 37. Das Grundstück der Klägerin ist lang und schmal. Eine der Schmalseiten grenzt an den Gehweg der H-Straße. An dieser Schmalseite des Grundstücks ist das Wohnhaus der Klägerin errichtet, sodass es direkt am Gehweg der H-Straße liegt. Die dem Grundstück der Beklagten zugewandte Wand des Wohnhauses steht so nahe an der Grundstücksgrenze, dass nur ein Streifen von maximal 20 cm nicht überbaut ist; an dieser Seite des Hauses der Klägerin befindet sich dessen einzige Eingangstür. Auf dem Grundstück der Beklagten befindet sich auf Höhe dieser Eingangstür ein gepflasterter Hof.

Im weiteren Verlauf des Grundstücks der Klägerin liegen von der Straße aus gesehen hinter dem Wohnhaus Terrasse und Garten. Der Zugang sowohl zum Wohnhaus als auch zum Garten der Klägerin erfolgte in der Vergangenheit über das Grundstück der Beklagten. Nachdem es zwischen der Klägerin und den Beklagten zu Meinungsverschiedenheiten kam, untersagten die Beklagten der Klägerin das Betreten ihres Grundstücks. Die Klägerin begehrt die Einräumung eines Notwegerechts nach § 917 BGB. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Soweit die Klägerin ein Notwegrecht für den Zugang zu den von der Straße aus gesehen hinter dem Wohnhaus liegenden Teilen ihres Grundstücks (Terrasse, Garten) begehrt, steht dem § 918 BGB entgegen. Danach ist der Nachbar zur Duldung eines Notwegs nicht verpflichtet, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. Das Landgericht hat hierzu festgestellt, dass der hinter dem Haus liegende Teil des Grundstücks ursprünglich vom Haus aus durch eine Tür aus der ehemaligen Küche zu erreichen war. Die Tür wurde im Rahmen von Umbaumaßnahmen, die die Klägerin veranlasst hat, verschlossen.

Ein Notwegrecht ist aber auch insoweit zu verneinen, als es um den Zugang zu der dem Grundstück der Beklagten zugewandten Eingangstür zum Haus der Klägerin geht.
Zwar kann das Notwegrecht hier nicht schon nach § 918 BGB verneint werden; hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass in der Anordnung der Hauseingangstür an ebendieser Seite des Hauses eine willkürliche Handlung im Sinne dieser Bestimmung zu sehen ist, sind nicht ersichtlich. Ein Notwegrecht scheidet aber deshalb aus, weil es der Klägerin zuzumuten ist, einen Zugang zu ihrem Haus von der Straße aus zu schaffen.

Ihr Grundstück grenzt unmittelbar an den öffentlichen Straßenraum an. Es hat die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg.
Zwar befindet sich die Hauseingangstür nicht an dieser (Vorder)Seite des Gebäudes, sondern an einer anderen, zum Grundstück eines Nachbarn hin weisenden Seite. Ein Notwegrecht über das Grundstück dieses Nachbarn stünde der Klägerin zu, wenn die Verlegung der Tür technisch unmöglich oder aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist der Klägerin aber zuzumuten, ihre Hauseingangstür an die Straßenfront zu verlegen. Mit Rücksicht auf das Eigentumsrecht des Nachbarn gilt hier, dass es dem Grundstückseigentümer grundsätzlich zuzumuten ist, den Zugang auf dem eigenen Grundstück zu schaffen. Dies gilt auch dann, wenn es für ihn umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist, als die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks. Der Eigentümer muss daher grundsätzlich Umbaumaßnahmen vornehmen, um eine vorhandene Verbindung seines Grundstücks zu einem öffentlichen Weg nutzen zu können. Nur wenn dies nicht möglich ist oder wenn die mit der Schaffung eines solchen Zugangs verbundenen Erschwernisse so groß sind, dass die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksnutzung aufgehoben oder in unzumutbarer Weise geschmälert wird, ist der Nachbar zur Duldung der Benutzung seines Grundstücks als Zugang verpflichtet. Die Grenze der Zumutbarkeit ist hier nicht durch einen Vergleich zwischen der Beeinträchtigung des auf Duldung eines Notwegs in Anspruch genommenen Nachbarn und den Kosten zu bestimmen, die durch die erforderlichen Umbaumaßnahmen entstehen. Maßgeblich ist vielmehr das Verhältnis dieser Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks. Die Beweislast für eine Unmöglichkeit oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück liegt bei demjenigen, der ein Notwegrecht begehrt.

Die Klägerin selbst hat den Verkehrswert ihres Hausgrundstücks auf rund 90.000,- Euro geschätzt. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hat festgestellt, dass eine Verlegung der Hauseingangstür zur Straßenseite hin technisch möglich ist und etwa 3.500,- oder 3.750,- Euro kosten würde. Diese Kosten würden weniger als 5% des Verkehrswerts des Grundstücks darstellen. Die Maßnahme ist nicht aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar.

OLG Karlsruhe vom 28.07.2010, Az. 6 U 105/08


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