Verzögerter Zuschlag bei Ausschreibung
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(ip/pp) Mehrvergütung bei verzögertem Zuschlag und kein konkreter Baubeginn genannt – das war Gegenstand eines aktuellen Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm. Eine Baufirma, die von der Beklagten im Rahmen eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens den Zuschlag für den sechsstreifigen Ausbau eines Autobahnabschnittes erhalten hatte, verlangte darauf 1.318.029,22 € nebst Zinsen, weil sich ihre Kosten wegen eines erst nach Ablauf der ursprünglichen Zuschlagsfrist erteilten Zuschlags erhöht hätten.
Die Richter des OLG gaben den Klägern in großen Teilen Recht:
„1. Vom Bieter und Auftraggeber im Vergabeverfahren abgegebene Willenserklärungen sind grundsätzlich dahin auszulegen, dass sie in vergaberechtskonformer Weise gemeint sind.
2. Die Anfrage des Auftraggebers nach einer Binde- und Zuschlagsfristverlängerung, die darauf erteilte Zustimmung des Bieters und die Erteilung des Zuschlags durch den Auftraggeber auf das verlängerte Angebot beziehen sich grundsätzlich auf eine Leistung gemäß der unveränderten ursprünglichen Ausschreibung. Dies gilt auch für bereits überholte Ausführungsfristen, es sei denn, dass hinreichend deutlich gemacht wird, dass eine Änderung der zeitlichen Vorgaben gewollt ist.
3. Der Vertrag kommt deshalb in der Regel auch bei einer zeitlichen Überholung zunächst mit den ursprünglich ausgeschriebenen Ausführungsfristen zustande.
4. Es besteht deshalb die Notwendigkeit, den geschlossenen Vertrag, in zeitlicher Hinsicht an die Wirklichkeit anzupassen (Zwei-Stufen-Modell). Diese Anpassung, die der Auftraggeber möglicherweise einseitig gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B anordnen kann, zu der die Vertragsparteien einander aber jedenfalls wegen des gegenseitigen Kooperationsgebotes verpflichtet sind, braucht der Auftragnehmer nicht ohne Ausgleich seiner auf Grundlage seiner ursprünglichen Kalkulation zu berechnenden Mehrkosten hinzunehmen.
5. Nach diesen Grundsätzen kann dem Auftragnehmer eine Mehrvergütung auch dann zustehen, wenn in der Ausschreibung Ausführungsfristen nicht kalendermäßig bestimmt waren, sondern die Fristen vom Tag des bis zu einem bestimmten Datum vorgesehenen Zuschlags berechnet werden sollten.“
OLG Hamm, Az.: 21 U 17/08