(ip/RVR) Der VII. Senat des BGH entschied kürzlich in Fortführung seines Urteils vom 10.11.1983 (Az. VII ZR 373/82), dass der Erwerber eines Einfamilienhauses vom Bauträger die Zahlung einer nach Baufortschritt fälligen Rate des Vertragspreises wegen bis dahin aufgetretener Baumängel in angemessenem Verhältnis zum voraussichtlichen Beseitigungsaufwand verweigern kann auch dann, wenn der Vertrag im Jahr 2003 geschlossen worden ist.

Gestritten wurde hier über einen Restwerklohnanspruch der Klägerin, die sich gegenüber den Beklagten mit Vertrag vom Dezember 2003 zur Veräußerung eines Grundstücks und zur schlüsselfertigen Errichtung eines Einfamilienhauses zum Festpreis von 515.000 € verpflichtet hat. Die Zahlung dieses Betrages sollte nach einem vertraglich vereinbarten Zahlungsplan erfolgen, in dem es für die letzten beiden Raten heißt:

"... f) 68.495 € nach Fertigstellung der Fliesenarbeiten ... und nach Bezugsfertigkeit Zug um Zug gegen Besitzübergabe; g) 18.025 € nach vollständiger Fertigstellung einschließlich Außenanlagen." Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Bezahlung der Rate f); die Beklagten verweigern die Zahlung unter Verweis auf Mängel der Bauleistung.

Das von der Klägerin zu errichtende Haus ist bezugsfertig, sodass die nach Buchst. f) des Zahlungsplans für diesen Bautenstand geschuldete Rate des Vertragspreises fällig geworden ist. Die Rate nach Buchst. g) dagegen ist nicht fällig, da das Bauwerk nicht vollständig (mangelfrei) fertig gestellt ist. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass das Vorhandensein der bereits festgestellten sowie etwaiger weiterer Mängel der Bauleistung die Beklagten nicht berechtige, einen Teil der Rate f) einzubehalten, weil der dreifache Betrag der Summe des für die Mängel anzusetzenden Beseitigungsaufwandes insgesamt geringer wäre als die Rate g), so dass sich nach § 641 Abs. 3 BGB a.F. ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten an der Rate f) nicht ergeben könne.

Hieran entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass den Beklagten grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe der Mängelbeseitigungskosten zustehen kann: Der Besteller kann die Bezahlung einer fälligen Abschlagsforderung wegen bis dahin aufgetretener Baumängel gemäß § 320 BGB in angemessenem Verhältnis zum voraussichtlichen Beseitigungsaufwand verweigern. Ein solches mangelbedingtes Leistungsverweigerungsrecht besteht auch, wenn die Abschlagsforderungen gemäß vertraglichem Zahlungsplan nach Baufortschritt fällig werden, und auch im Rahmen eines Bauträgervertrages für die nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) vereinbarten Raten. Die Mangelfreiheit der bis zum jeweiligen Bautenstand erbrachten Leistungen ist nicht Voraussetzung für die Fälligkeit vertraglich vereinbarter Abschlagsforderungen; vielmehr hat der Besteller wegen solcher Mängel gemäß § 320 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten nebst Druckzuschlag in angemessener Höhe. Diese Rechtsprechung ist auch auf Bauträgerverträge anwendbar, die im Jahre 2003 geschlossen worden sind.

§ 632a BGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 30. März 2000 findet auf Bauverträge, die der Makler- und Bauträgerverordnung unterliegen, keine Anwendung; die gefestigte Rechtsprechung zur Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts wird auch nicht dadurch beeinflusst, dass dem Besteller vor der Abnahme der Bauleistung in Verträgen, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Schuldrechtsmodernisierung geschlossen worden sind, möglicherweise kein Anspruch auf Mängelbeseitigung zusteht. Selbst wenn dem Besteller vor der Abnahme der Bauleistung nun kein Anspruch auf Mängelbeseitigung zustünde - der Senat hat diese Frage bisher offen gelassen - änderte dies nichts daran, dass der Besteller das ihm nach § 320 Abs. 1 BGB zustehende Leistungsverweigerungsrecht ausüben kann.

Nach § 320 Abs. 1 BGB kann der aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtete Schuldner die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, er ist zu Vorleistung verpflichtet. Einer Zahlungsabrede, in der die Parteien dem grundsätzlich vorleistungspflichtigen Unternehmer durch die Vereinbarung eines an den Bautenstand geknüpften Zahlungsplans ermöglichen, schon vor dem nach dem Gesetz für die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs vorgesehenen Zeitpunkt der Abnahme (§ 641 Abs. 1 BGB) Raten auf seine Vergütung zu verlangen, ist immanent, dass der Unternehmer jene Teilbeträge nur gegen Ausführung der für die Erreichung des jeweiligen Bautenstandes erforderlichen Bauleistungen beanspruchen darf. Dem entspricht, dass der Besteller auf der Grundlage des an den Bautenstand gekoppelten Zahlungsplans den Abschlagsforderungen des Unternehmers auch schon vor dem für die Ablieferung des Gesamtwerkes vorgesehenen Zeitpunkt gemäß § 320 BGB Mängel derjenigen Bauleistungen entgegenhalten darf, die der Unternehmer bis zur Erreichung des seine Abschlagsforderung begründenden Bautenstandes ausgeführt hat. Die Höhe des Leistungsverweigerungsrechts vor der Abnahme ergibt sich nicht aus § 641 Abs. 3 BGB, sondern aus einer nach Treu und Glauben vorgenommenen Beschränkung des § 320 Abs. 1 BGB. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird das Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln der Leistungen, die mit der Bezugsfertigkeitsrate abgerechnet werden, grundsätzlich nicht dadurch beschränkt, dass die Fertigstellungsrate noch nicht bezahlt worden ist (vgl. o.g. Urteil aus dem Jahre 1983). Ob nach Treu und Glauben etwas anderes gilt, wenn das Bauvorhaben insgesamt abgerechnet wird und nur noch geringe Mängel festgestellt werden, für deren Beseitigung Kosten entstehen die in der Summe geringer sind als die Fertigstellungsrate musste hier nicht entschieden werden, da bzgl. die Kosten für die Beseitigung der Mängel aufgrund grober Fehler des Berufungsgerichts Unklarheit herrschte.

BGH vom 27.10.2011, Az. VII ZR 84/09


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