(ip/RVR) Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg äußerte sich in seinem Beschluss vom 23.09.2011 in mehrerlei Hinsicht zu den Anforderungen der Antragstellung von Wohngeld. Insbesondere seien zwar nach §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 2 Satz 2 WoGG die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich, objektiv erkennbare Umstände, die der Wohngeldbehörde später zur Kenntnis gelangen, seien aber gleichwohl bei der Entscheidung zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragte zwecks Bewilligung von Wohngeld Prozesskostenhilfe für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren. Diese Hilfe wurde ihm vom Verwaltungsgericht verwehrt, weil seine Rechtsverfolgung in Ansehung des Wohngeldes keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg geboten habe. Auf Beschwerde des Klägers bewilligte das OVG die Prozesskostenhilfe, weil nach der Aktenlage die Erfolgsaussichten als offen anzusehen seien.

Im PKH-Verfahren stellte sich das Verwaltungsgericht auf den Standpunkt, dass der Kläger seine Einkommensverhältnisse nicht plausibel dargelegt habe. Deshalb sah es die Rechtsverfolgung als nicht erfolgsversprechend an, wobei es zutreffend davon ausgegangen sei, dass es für den hier streitigen Bewilligungszeitraum maßgeblich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bis zur Antragstellung und während des Bewilligungszeitraums ankomme. Das OVG meinte hingegen, der Kläger habe seine Einkommensverhältnisse plausibel dargelegt.

Das für die Bewilligung von Wohngeld anzusetzende Einkommen sei nach § 15 WoGG 2009 zu ermitteln gewesen, wonach das Einkommen zugrunde zu legen sei, das im Zeitpunkt der Antragstellung im Bewilligungszeitraum zu erwarten ist. Hierfür könnten die Verhältnisse im Zeitpunkt vor der Antragstellung herangezogen werden. Der Kläger hätte - nach Meinung des VG - die entscheidenden Tatsachen diesbezüglich erst nach Antragstellung im Laufe des Verwaltungs- bzw. Klageverfahrens und damit nach den §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 2 Satz 1 WoGG 2009 verspätet vorgetragen.

Das OVG hielt dem entgegen, die Normen schlossen nicht aus, objektiv erkennbare Umstände, die der Wohngeldbehörde aber erst später zur Kenntnis gelangen, bei der Entscheidung zu berücksichtigen, obgleich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen sei. Der Gesetzgeber habe keine materiellen Ausschlussnormen geschaffen, sondern lediglich festgelegt, aus welcher zeitlichen Perspektive die Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen sind. Eine spätere Kenntniserlangung ändere nichts daran, dass auf die Verhältnisse bei Antragstellung abgestellt werde. Die genannten Normen dürften nicht auf Präklusionsvorschriften hinauslaufen, da dies auf eine Begünstigung einfach zu überschauender Vermögensverhältnisse hinausliefe. Es gelten vielmehr auch im Wohngeldrecht die allgemeinen Verfahrensgrundsätze des Sozialrechts. Deswegen müsse die Behörde von Amts wegen den Sachverhalt aufklären und ihrer Beratungspflicht nachkommen. Dies schließe die Pflicht ein, den Antragsteller auf Mängel bei der Antragstellung hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zu eröffnen, diese Mängel etwa durch Ergänzungen der Angaben oder Plausibilisierung der Angaben zu beseitigen.

Gestützt werde diese Ansicht durch §§ 60 ff. SGB I, wonach Sozialleistungen erst abgelehnt werden dürften, wenn die Mitwirkungspflichten des Antragstellers entsprechend konkretisiert und über die Folgen der fehlenden Mitwirkung hinreichend belehrt worden sei.

Dies decke sich nach den Gesetzesmaterialien mit dem Willen des Gesetzgebers und stünde auch nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

In casu hätte die Behörde den Antrag nicht wegen unzureichender Erläuterung der Einkommens- und Bedarfssituation ablehnen dürfen, sondern hätte zunächst vom Instrumentarium der §§ 60 ff. SGB I Gebrauch machen , insbesondere nach § 66 SGB I zu konkreten Mitwirkungshandlungen auffordern müssen.

Diese Mängel des Verfahrens hätten sich bis in das Klageverfahren fortgesetzt. Weil ohne die genannten Aufklärungsmaßnahmen die Erfolgsaussichten der Klage offen blieben, sei dem Klager PKH zu gewähren.

OVG Berlin-Brandenburg vom 23.09.2011, Az. 6 M 59/11


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